Bevor wir Fes am Sonntagvormittag wieder verlassen, stellen wir fest, dass die Uhren nun auch in Marokko auf Sommerzeit umgestellt wurden, somit liegen wir ab jetzt immer eine Stunde hinter der europäischen Zeit. Im nahegelegenen riesigen Marjane Supermarkt füllen wir unsere Vorräte und machen uns auf den Weg in den Mittleren Atlas. Bis Ifrane ist es nicht besonders weit, sodass wir nach unserer Ankunft zum ersten Mal den Grill auspacken können, von dem es frische Steaks und geröstetes Knoblauchbrot gibt. Bei überwiegend sonnigem Wetter haben wir einen traumhaft schönen Platz unter blühenden Kirschbäumen und zwischen weiten Feldern mit Pfirsichbäumen, die ebenfalls in voller Blüte stehen. Ifrane liegt auf etwa 1600 Metern Höhe, hier wurde 1935 mit -23,5 Grad der absolute Kälterekord für ganz Afrika gemessen. So kalt wird es heute Nacht nicht, doch bei einer Temperatur von 5⁰ sind wir ganz froh, dass wir eine gute Heizung an Bord haben.
Schon am nächsten Morgen fahren auf meist gut ausgebauten Straßen weiter in den Mittleren Atlas und erreichen um die Mittagszeit die kleine Agate Farm bei der Ortschaft Aguelmous.
Nach einer kräftigen Mahlzeit aus selbstgemachtem schwäbischem Kartoffelsalat und marokkanischen Würsten erklimmen wir den steilen Gipfel des nahe gelegenen Berges, von dem man eine schöne Aussicht über das Land hat. Am späten Nachmittag lädt der deutschstämmige Betreiber Joachim zu leckerem Tee, während dem er viel über seine Leidenschaft als Mineraliensammler erzählt. Er ist seit vielen Jahren in ganz Marokko auf der Suche nach Achaten, von denen er eine ganz außergewöhnliche Sammlung angelegt hat. Joachim bearbeitet die Steine selbst und zeigt uns gerne, wie aus einem unscheinbaren Stein ein farbenfrohes Schmuckstück wird. Auf dem Gelände liegen Rohlinge von der Größe kleiner Eier bis hin zu einem siebzig Kilo schweren Brocken, für dessen Bearbeitung er gerade eine neue große Steinsäge baut. Viele seiner seltenen Funde werden weltweit an passionierte Sammler verkauft, die schönsten Stücke kommen in das kleine Museum der eigenen Farm.
Einen der Achate dürfen wir uns am Dienstag aussuchen, bevor wir weiter in Richtung der Todra Schlucht fahren. Wir kommen wieder durch wunderschöne grüne Landschaften, die in vielen Farben prächtig blühen. Später werden die Berge sichtbar trockener und die leuchtenden Farben wechseln zu einem einheitlichen Grau, durchzogen von beigen oder roten Gesteinsbändern. Wir erreichen unser Tagesziel, den türkis leuchtenden Lake Tislit, wo der angestrebte Stellplatz leider geschlossen ist. Einheimische erklären, dass das Übernachten trotzdem möglich sei, sodass wir uns auf den Weg um den See und auf die Suche nach einer geeigneten Stelle machen. Dummerweise haben wir nach der langen Fahrt vergessen, das Hirn einzuschalten und fahren ohne die Strecke vorher abzulaufen in den viel zu engen Weg, aus dem es schon bald kein Zurück mehr gibt und wir dem Vagabund durch viel zu niedrige Bäume etliche neue Schrammen zufügen. Bei aller Dummheit haben wir am Ende das Glück, dass wir zurück auf die Hauptstraße kommen, ohne den ganzen Weg wieder zurückfahren zu müssen. Jetzt ist guter Rat teuer, denn in dieser abgelegenen Gegend gibt es keine offiziellen Alternativen, die als Stellplatz dienen können und das nächste Ziel in der Todra Schlucht liegt noch hundert Kilometer weit entfernt. So fahren wir mit suchendem Blick in die Ortschaft Imilchil, in der es mehrere Restaurants und Herbergen gibt. An der Auberge L'Avenir wird der Wirt auf uns aufmerksam und winkt uns auf den Parkplatz vor dem Haus. Er bietet sofort einen marokkanischen Minztee an und erlaubt uns ganz selbstverständlich, dass wir auf seinem Platz über Nacht stehen bleiben können. Zunächst einmal sind wir erleichtert, dass wir irgendwo unterkommen und ziehen los, das kleine Bergdorf zu besichtigen. Allerdings hat uns die Aktion oben am See doch sehr die Laune vermiest, so dass es uns nicht gelingen will, den Spaziergang richtig zu genießen. Dafür gibt es, als wir zurückkommen eine ausgezeichnete Tajine mit Hühnchen und allerlei Gemüse, unser Gastgeber Hossin ist sichtbar bemüht darum, es uns gut gehen zu lassen. Leider kommen einige der Kinder des Dorfes auf die Idee, Steine auf unser Wohnmobil zu werfen, worauf Hossin sie verjagen muss, unsere Laune sich aber weiter verschlechtert. Als ob das nicht genug wäre, kommen wir in der Nacht wegen ausgesprochen vielen laut bellenden wilden Hunden kaum zum Schlafen, sodass wir am Mittwoch morgen schon um sechs aufstehen und bei Tagesanbruch den Ort Imichil wieder verlassen. Auf sehr rustikalen Straßen geht es ins Hochgebirge des Mittleren Atlas und über einen 2645 Meter hohen Pass zum nördlichen Ende der Todra Schlucht. Die Landschaft ist ausgesprochen karg und staubig, ein wenig so, wie wir uns die Rückseite des Mondes vorstellen könnten. Schon gegen 10:00 Uhr erreichen wir in Tamtetoucht das Hotel Baddou, das einen schönen und vor allem sicher gelegenen Campingplatz bietet. Wir stellen uns auf und machen uns bald daran, wenigstens die Schrammen, die wir gestern in unsere Fenster gemacht haben, wieder zu beheben. Die Arbeit ist zwar anstrengend, doch das Ergebnis, das wir mit der mitgebrachten Polierpaste für Plexiglas erzielen, lässt sich durchaus sehen.
Da für die nächsten Tage stürmisches Regenwetter vorhergesagt ist, auch heute wehen immer wieder heftige Böen über den Platz, beschließen wir erst einmal hier zu bleiben und herauszufinden, was die Gegend außer der Todra Schlucht noch zu bieten hat.
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Matze (Samstag, 12 April 2025 17:01)
Lake Tislit sieht ja geil aus schade das der Stellplatz geschlossen hatte.
Wünsche euch weiterhin eine gute Reise bis bald.
Euer Matze