Mit der Segeljacht in die Arktis

Die Abschnitte dieses Segeltörns in die Arktis: 

 

Anreise 

Vorbereitung und Anreise nach Tromsö

Norwegen bis Bjornoya 

Die Überfahrt bis zur Bäreninsel

Nordpolarmeer 

Segeln bis zur Eisgrenze und eine Begegnung mit Walen

Svalbard 

Auf der Polnischen Forschungsstation

POLARSTAR 

Die Fahrt mit dem ehemaligen Eisbrecher


Mein erster Hochseetörn führte mich im September 2004 von Kiel über die Nordsee bis nach Brest am Atlantik. Auf dieser Reise erfuhr ich, wie interessant es sein kann, mehrere Tage und Nächte ohne Unterbrechung zu segeln und alle täglichen Aktivitäten unter Fahrt zu erledigen. So suchte ich nach einer weiteren Gelegenheit dieser Art und wurde von einem Kollegen auf die Reisen der Pagan aufmerksam gemacht. Die Pagan war im Jahr 2006 auf dem Weg nach Spitzbergen, wobei die Möglichkeit bestand, an einem Teilstück der Reise teilzunehmen.


Anreise

 Am 2. Juli 2006 startete ich zu der ausgewählten 14-tägigen Etappe, die uns von Tromsö im Norden Norwegens bis nach Longyearbyen, der Hauptstadt Spitzbergens führen sollte. Das zumindest war der Plan. Dass es dann ein wenig anders kam, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

PAGAN
Der 46 Fuß Stahlschoner PAGAN ist für Expeditionen in arktischen Gewässern perfekt geeignet

Die Anreise mit dem Flugzeug von Frankfurt über Oslo nach Tromsö verlief planmäßig, vom Flughafen nahm ich ein Taxi in die Innenstadt, wo die Pagan an einem der wenigen Schwimmstege im Hafen festgemacht lag. Reinhard, der Skipper, war an Bord mit Reparaturarbeiten beschäftigt und überließ mir die Wahl zwischen den beiden noch verfügbaren Kojen im Schiff. Ich wählte die große Doppelkabine im Vorschiff, die selbst bei voller Belegung mit zwei Personen ausreichend bemessen war, für mich alleine also üppig Platz für Gepäck und Ausrüstung bot. Auf hoher See kann diese Lage zwar unangenehm werden, weil das Vorschiff die heftigsten Bewegungen macht, da ich mich aber als einigermaßen seefest einstufte, war das Risiko für die bevorstehende Reise überschaubar.

PAGAN
Das Innere der PAGAN ist geräumig und funktional

Die Segeljacht PAGAN war ein 46 Fuß Stahlschoner mit Schwenkkiel und zwei Masten. Sie wurde 1982 von einer französischen Werft gebaut und in Dienst gestellt. Das Schiff war außerordentlich stabil und robust gebaut und eignete sich daher hervorragend für Expeditionen in arktischen Gewässern. Sie war sehr zweckmäßig eingerichtet und für eine Jacht dieser Größe ungewöhnlich geräumig. Durch zwei Dieselheizungen und einen mit Holz befeuerten Kaminofen im Salon ließ sich eine kuschelige Temperatur erreichen, allerdings nur bei ruhiger See oder am Liegeplatz, bei Seegang waren beide Heizungen nicht funktionsfähig.

PAGAN, Norwegen, Tromsö
Die PAGAN im norwegischen Hafen Tromsö

Durch die sehr nördliche Lage Tromsös auf 69°39’N 018°58’E konnten wir hier gleich die erste Nacht ohne Dunkelheit erleben, was sich bis zum Ende der Reise nicht mehr ändern sollte. Dadurch war es häufig schwierig festzustellen, ob gerade Nachmittag oder späte Nacht war. Zur Einstimmung besuchten wir am Montag die beiden Museen in Tromsö, die uns einen guten Einblick in die Geologie Spitzbergens und in die Frühzeit der Polarforschung gaben. 

PAGAN, Norwegen
Bevor es hinaus ins Nordpolarmeer geht angeln wir noch einige Dorsche als Verpflegung

Am Nachmittag liefen wir dann bei regnerischem Wetter und tief hängenden Wolken aus. Während der eintönigen Fahrt durch den Fjord hatte Reinhard plötzlich die Idee, Fische zu angeln, was uns bei einem kurzen Stopp innerhalb von wenigen Minuten zwei große Dorsche einbrachte. Die Fische wurden kurz darauf an unserem Liegeplatz bei Hansens fachmännisch zubereitet, bevor wir unsere letzte Nacht in Nähe zur Zivilisation am Ausgang des Fjords verbrachten.


Norwegen bis Bjornoya

Überfahrt

Bei sonnigem Wetter verließen wir am Dienstagvormittag die geschützten Gewässer des Fjords und begaben uns auf die Reise ins Nordpolarmeer. Gleich zu Beginn frischte der Wind anständig auf, so dass wir schon bald die Segel setzen konnten. Durch den auf der offenen See herrschenden Seegang mit etwa fünf Metern Wellenhöhe gab es bei diesem Manöver auch gleich die arktische Taufe durch einen anständigen Schwall eiskalten Wassers. Damit war klar, dass es auf diesem Törn nur eine angemessene Art der Bekleidung geben konnte, nämlich vollständige Hochseeausrüstung mit allem darunter, was wir dabei hatten.

PAGAN, Norwegen
Kurz hinter Hansens verlassen wir den schützenden Fjord

Tatsächlich war es während der nächsten Tage dann auch so kalt, was durch den kräftigen Westwind noch verstärkt wurde, dass wir eigentlich permanent gefroren hatten. Während der Wache, die jeweils vier Stunden dauerte, versuchten wir nicht zu sehr auszukühlen. Gar nicht so einfach, hatten wir doch nie etwas zu tun. Der Westwind stand für Kurs Nord optimal, bei konstanten sechs Windstärken waren daher keine Manöver erforderlich, Inseln, die umfahren werden mussten, gab es keine und Verkehr herrschte in diesen Gewässern eben auch nicht. Immer wenn die Wachzeit um war, verkrochen wir uns mit sämtlichen Flies und Faserpelz Kleidungsstücken in unsere Schlafsäcke, wo wir dann die nächsten sechs Stunden schlafend weiter bibberten. Wegen des Seegangs und der Schräglage des Schiffs konnte nämlich keine der Heizungen betrieben werden. Schlimmer als die Kälte war allerdings die Seekrankheit, die nach einiger Zeit uns alle außer Reinhard ereilte. So gab es in der Zeit, in der in Deutschland alle auf einen weiteren Erfolg der Nationalmannschaft im Halbfinale fieberten, für uns nur die drei Zustände „vorsichtig, reglos im Schlafsack liegen und frieren“, „an Deck sitzen und frieren“ und „Fische füttern“.


Bjornoya

PAGAN, Bjornoya
Nach unruhiger Überfahrt erreichen wir Bjornoya in dichtem Nebel

Nach zweieinhalb endlos scheinenden Tagen, während der auch mir so manches Mal die Sinnfrage in den Sinn kam, erreichten wir am Donnerstagnachmittag bei Regen und dichtem Nebel die einsame Bäreninsel Bjornoya. Die an der Südspitze der Insel liegend Bucht Sorhamna (Südhafen), 74°22’N 019°10’E, konnten wir nur mit Hilfe des Radars anlaufen, die schroffen Felsklippen waren erst auf kürzeste Entfernung mit bloßem Auge zu erkennen.

PAGAN, Bjornoya
In der Bucht Sorhamna setzen wir mit dem Schlauchboot von der PAGAN über an Land

Im Schutz der Bucht war sofort nur noch ein geringer Schwell zu spüren, wodurch auch die letzten Reste der Seekrankheit schlagartig aufhörten. Gleichzeitig konnten wir nun auch die Heizungen wieder betreiben und fühlten uns bald richtig wohl. Die Unannehmlichkeiten der Überfahrt waren im Nu vergessen und neuer Tatendrang regte uns an, die unbewohnte Insel zu erkunden. Schnell war das Schlauchboot klar gemacht und wir begaben uns zu dritt auf die Suche nach einem geeigneten Anlandeplatz. Wir fuhren immer in Ufernähe der Bucht entlang, die aus der Perspektive eines Schlauchbootes gleich wesentlich größere Dimensionen annahm, als von der Pagan aus. Schließlich fanden wir eine schöne Felsstufe, die die gleiche Höhe wie unser Schlauchboot hatte und zum unbeschwerten Umsteigen einlud. Der Fels sah zwar etwas glitschig aus, doch Ditmar versuchte trotzdem den Schritt an Land und fand sich nach dem Bruchteil einer Sekunde im eiskalten Wasser wieder. Der Fels sah nämlich nicht nur so aus, er war auch glatt wie Schmierseife. Prustend und strampelnd versuchte unser armer Ditmar an Land zu klettern, rutschte aber immer wieder an der jetzt plötzlich viel zu hohen Felskante ab, so dass wir nach kurzer Zeit gezwungen waren, ihn wieder ins Boot zurück zu ziehen. Natürlich beschlossen Reinhard und ich, dass wir nun sofort zur Pagan fahren müssten, um Ditmar trocken legen zu können. Der verweigerte das aber aufs heftigste und zeigte uns zum Beweis, dass er im Inneren seines Segelanzugs weitgehend trocken geblieben war. Schon eindrucksvoll, was dieses moderne Material alles leistet. Nach kurzer weiterer Suche entdeckten wir hinter dem besagten Felsen einen schönen, nochmals besser geschützten Strand, an dem wir ohne Probleme anlegen konnten.

Bjornoya
Ditmar nimmt ein erfrischendes Bad auf der Bäreninsel

Während Reinhard zur Pagan zurück fuhr um Andrea und Wolfram abzuholen, zog sich Ditmar jetzt nackt aus und ging noch einmal zurück ins kalte Wasser. Offensichtlich hatte er Gefallen an der Abkühlung gefunden. Außerdem war die Hose wohl doch nicht so dicht gewesen, wie es im Schlauchboot noch ausgesehen hatte.

Bjornoya
In den Felswänden der Bäreninsel brüten Millionen Seevögel

Die Bäreninsel, die als einzige Insel auf halber Strecke zwischen Norwegen und Spitzbergen liegt erhielt ihren Namen, weil bei ihrer Entdeckung hier Eisbären vorgefunden wurden. Auch heute noch kommen die Eisbären im Winter bis nach Bjornoya, müssen es aber im Frühjahr rechtzeitig wieder verlassen, um mit dem zurückgehenden Eis zurück nach Spitzbergen zu kommen. Ein Überleben auf der Insel ist für Bären wegen des fehlenden Nahrungsangebots während des Sommers nicht möglich. Im Gegensatz zu den Eisbären finden Millionen von Vögeln ideale Lebensbedingungen auf der Bäreninsel. So nisten riesige Kolonien von verschiedenen Lummen und Möwen in den unzugänglichen steilen Klippen der Südküste.

Bjornoya, PAGAN
Die Kvalrossbukta von Bjornoya kann wegen starkem Wind nicht angelaufen werden

Wir waren tief beeindruckt von dieser unberührten Natur und beobachteten die Vögel mehr als eine Stunde lang ausgiebig. Zurück an Bord beschlossen wir, der in der Nähe liegenden Bucht Kvalrossbukta einen Besuch abzustatten, in der wir eine 1908 erbaute und längst wieder verlassene Walfangstation besichtigen wollten. Leider stand in der Bucht ein sehr starker Wind mit 7 Bft, wodurch an ein Liegen vor Anker nicht zu denken war. Abgesehen davon wäre das Übersetzen mit dem Schlauchboot auch viel zu gefährlich gewesen. So tuckerten wir gemütlich zurück zur Sorhamna, wo wir gut geschützt eine ruhige und erholsame Nacht verbrachten.

Bjornoya, PAGAN
Felswände an der Südküste von Bjornoya

Am nächsten Morgen, am Freitag dem 7.Juli, versagte unsere elektrische Ankerwinde, so dass wir gezwungen waren, den schweren Anker an seiner massiven Kette von Hand nach oben zu ziehen.

Bei schönem Wetter und nur noch sehr wenig Wind verließen wir die Bucht und umrundeten die Südspitze der Insel in Richtung Westen. Dabei trafen wir immer wieder auf Schwärme von auf dem Wasser schwimmenden Lummen, die bei Annäherung der Jacht nicht etwa wegflogen, sondern ganz aufgeregt abtauchten, um danach einige Meter weiter wieder nach oben zu kommen. Ein eigenartiges, geradezu witziges Schauspiel.


Nordpolarmeer

Barentssee

PAGAN, Nordpolarmeer
Unter vollen Segeln im Nordpolarmeer

Kurz bevor wir  nach Norden abdrehen konnten, beobachteten wir weit südlich von uns Fontänen von einzelnen Walen. Ein wenig enttäuscht, die Wale nur aus der Ferne zu sehen zu bekommen, änderten wir unseren Kurs in Richtung Spitzbergen, die kommenden Tage würden uns ja noch so viel bringen können. Inzwischen war der Wind wieder etwas aufgefrischt und wir konnten Segel setzen. Reinhard kam auf die Idee, dass wir jetzt vom Schlauchboot aus gute Fotos von der Pagan unter Segeln machen könnten. Andrea und ich stiegen um und ließen uns einmal von der Jacht in größerem Abstand umrunden. Auch hier war es wieder einmal eine beeindruckende Erfahrung, zu sehen wie groß die Wellen aus der Perspektive eines winzigen Schlauchboots im Gegensatz zu einer Jacht wirken.


Wale

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Zwei Buckelwale neben der PAGAN

Anschließend machten sich Reinhard und Wolfram an die Reparatur der Maschine, ein Kühlwasserschlauch musste ausgewechselt werden, während wir immer schön parallel zur Westküste Bjornoyas nach Norden liefen.

Gegen Abend, wir hatten schon längst wieder das offene Meer erreicht, bemerkten wir an Backbord voraus eine auffällige Ansammlung von Möwen auf der Wasseroberfläche. Sie kreischten wie verrückt und flogen wild durcheinander. Kurz darauf erschienen genau an der Stelle, wo die Vögel sich versammelt hatten, mehrere Buckelwale zur Atempause. Offensichtlich transportieren diese Riesentiere jede Menge an Nährstoffen für Seevögel aus der Tiefe an die Oberfläche. Gespannt beobachteten wir die bis zu 18 Meter langen und 40 Tonnen schweren Wale in unmittelbarer Nähe zu unserer Jacht, die mit ihren 15 Metern und 25 Tonnen plötzlich gar nicht mehr so sicher erschien. Als einer der Wale direkt unter uns durchtauchte waren wir froh, dass es zu keiner Berührung kam, wir wären dabei sicher ziemlich durchgeschüttelt worden. Während der folgenden Stunde entdeckten wir noch mehrere Wale in der Umgebung unseres Schiffes, allerdings kam keiner mehr direkt zu uns heran.

PAGAN, Nordpolarmeer
Segeln der Mitternachtssonne entgegen

Dafür bekamen wir ein ganz besonders leckeres Abendessen, Reinhard brachte den am Morgen in der Sorhamna gefangenen riesigen Dorsch in einer köstlichen Bananensauce auf den Tisch. Bei nur noch mäßigem Seegang konnten wir es uns im Gegensatz zur ersten Etappe unserer Reise jetzt so richtig gut gehen lassen. Nach dem Essen gab es Segeln vom feinsten, um Mitternacht der tief über dem Horizont stehenden Sonne entgegen, nur begleitet von einzelnen Möwen, bis es im Laufe der „Nacht“ wieder empfindlich kalt wurde. Immerhin befanden wir uns jetzt nur noch wenig mehr als 1500 km vom Nordpol entfernt und die Wassertemperatur war inzwischen auf Werte unter Null Grad gefallen.


Treibeis

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Vor Svalbard erreichen wir mit der PAGAN ein großes Feld Treibeis

Im Laufe des Samstags erreichten wir Spitzbergen und segelten weiterhin nordwärts an der Westküste entlang bis wir in der Ferne einen weißen Streifen auf dem Wasser erkannten, der wie ein Stück Land aussah, das aber nicht in der Karte verzeichnet war. Bei weiterer Annäherung löste sich der Streifen in ein ausgedehntes Feld von Treibeis auf, der sich in unserer Fahrtrichtung nur wenige hundert Meter erstreckte, jedoch einige Kilometer breit war. Wir waren sofort völlig aus dem Häuschen, nahmen schnell die Segel herunter und steuerten unter Maschine vorsichtig zwischen den Eisschollen hindurch. 

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Vor Svalbard erreichen wir mit der PAGAN ein großes Feld Treibeis

Wieder war es Reinhard, der auf die Idee mit dem Schlauchboot kam. Und wieder waren es Andrea und ich, die sich spontan auf den Weg machten und eine ausgiebige Runde um die Pagan ruderten, um dabei möglichst spektakuläre Fotos zu machen. Als wir endlich zurück kamen, wollten auch Ditmar und Wolfram noch zu einer kleinen Tour starten, doch Reinhard hatte in der Zwischenzeit bemerkt, dass sich das Eisfeld inzwischen so viel weiterbewegt hatte, dass uns der Weg zur anderen Seite versperrt war und es nicht mehr lange dauern würde, bis wir vollständig eingeschlossen sein würden. Ziemlich hektisch retteten wir das Schlauchboot aufs Deck der Pagan und flüchteten zurück aus dem Eisfeld hinaus, um es dann auf weitem Weg westwärts zu umfahren.


Isbjornhamna

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Die Eisbärenbucht Isbjornhamna im Süden von Spitzbergen

Am Abend erreichten wir die am Eingang des Hornsunds liegende Bucht Isbjornhamna, die Eisbärenbucht, in der eine polnische Polarforschungsstation lag. Diese Station war die einzige menschliche Ansiedlung im Umkreis von 150 km und einer der nur vier Orte auf Spitzbergen, wo so etwas wie Zivilisation zu finden war. Da wir vorhatten, den Polen auf der Station einen Besuch abzustatten, suchten wir einen Ankerplatz in unmittelbarer Nähe zum Land. Beim ersten Manöver griff der Anker nicht richtig im steinigen Grund, so dass wir es einige Meter weiter ein zweites Mal versuchten. Anker fallen lassen, unter Maschine mit langsamer Fahrt rückwärts, um ihn richtig fest einzufahren, alles schon hundertmal gemacht. Doch diesmal stoppte ein Fels, der knapp unter der Wasseroberfläche lag unsere Rückwärtsfahrt so ruckartig, dass wir alle kurz und heftig durcheinander purzelten. 

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Eis in der Isbjornhamna auf Spitzbergen

Glücklicherweise hatte sich bei dem missglückten Manöver niemand ernsthaft verletzt. Immerhin schafften wir es noch, das Schiff sicher vor Anker zu legen, so dass wir für die nächste Zeit in der Bucht bleiben konnten. Nach einem schnellen Check der Jacht waren wir sicher, dass wir kein Leck im Rumpf hatten, dafür hörte man bei laufender Maschine ein schlagendes Geräusch von der Antriebswelle, das noch weiter untersucht werden musste. Doch zunächst machten wir es uns erst einmal bequem, genossen die Wärme im Schiff und die fast unglaubliche Ruhe der Abgeschiedenheit. Am Abend hörten wir draußen ein leises Knistern, das die ganze Bucht zu füllen schien. Neugierig geworden, stellten wir fest, dass auf dem Wasser eine hauchdünne Eisschicht trieb, die durch kleine Wellen und durch ihre eigene Bewegung ständig neu aufbrach und so diese Geräusche erzeugte. Eine fast mystische, romantische Stimmung. 

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Eisschollen in der Isbjornhamna auf Spitzbergen

Von einer ganz anderen akustischen Qualität war am Sonntagmorgen das laute, fordernde Klopfen, mit dem uns eine größere Eisscholle um sechs Uhr aus dem Schlaf riss. Dieser 15 Meter lange Eisberg hatte sich zwischen unserer Ankerkette und dem Bug verfangen und krachte nun bei jeder Bewegung gegen den Stahlrumpf der Pagan. Reinhard bugsierte das tonnenschwere Teil mit viel Mühe um die Kette herum, so dass wir wieder unsere Ruhe hatten. Gut, wenn man einen fest sitzenden Anker hat und gut, wenn man einen Stahlrumpf hat und gut, wenn nur eine große Eisscholle und nicht ein ganzes Eisfeld auftaucht.

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An der Isbjornhamna, der Eisbärenbucht liegt die polnische Polarforschungsstation

Erst am Nachmittag und nach vielen Reparaturversuchen, bei denen uns auch Mechaniker aus der Station geholfen hatten, erkannten wir, dass sich durch den gestrigen Aufprall unsere Antriebswelle und die Schraube verbogen hatten. Eine zweite Schraube hatten wir zwar an Bord, doch zur Reparatur der Welle musste das Schiff wohl aus dem Wasser genommen werden, wozu es auf Spitzbergen nirgends eine Gelegenheit gab. Also entschied Reinhard, mit der Jacht nach Tromsö zurück zu segeln und dort die Reparatur durchführen zu lassen. Für ihn ein harter Schlag, da er dadurch gezwungen war, die folgenden schon bezahlten Törns abzusagen.

Andrea und ich wollten auf keinen Fall mit dem beschädigten Schiff zurück segeln, weil wir beide unsere Rückflüge für das kommende Wochenende gebucht hatten und es nicht riskieren wollten, für die nächsten Wochen auf hoher See auf Wind warten zu müssen. Wir versuchten über die Polarstation eine Alternative für die Weiterreise nach Longyearbyen zu finden, was sich als recht schwierig herausstellte. Die für uns von der Zivilisation verwöhnten Menschen nahe liegende Lösung, nämlich aus der Stadt einen Hubschrauber zu schicken, war zum einen sehr teuer, bis zu 5000,-€ wurden genannt, zum anderen waren die Anbieter nur bereit, gegen Vorauszahlung zu fliegen, was in unserer Situation ja nicht möglich war. Das nächste planmäßige Versorgungsschiff war für den 28.Juli geplant, so lange wollten wir natürlich möglichst auch nicht warten, also verließen wir uns auf die vage Aussage des Stationsleiters, dass in der nächsten Woche die Polarstar, ein ehemaliger Eisbrecher, hier vorbei kommen würde und dass wir die dann über Funk um eine Mitfahrgelegenheit bitten könnten. 


Svalbard

Polnische Polarforschungsstation

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Bei der Ankunft auf der polnischen Forschungsstation werden unsere Flaggen gehisst

Jedenfalls waren wir herzlich eingeladen, bis zu unserer Weiterreise als Gäste auf der Station zu wohnen. So ließen wir uns dann am Sonntagnachmittag mit Sack und Pack an Land bringen und machten uns auf den kurzen Weg zu unserem neuen Quartier. Am Eingang der Forschungsstation angekommen, trauten wir unseren Augen nicht, als der Stationsleiter und ein Mitarbeiter für uns die Nationalflaggen hissten, die österreichische für Andrea und die deutsche für mich. Waren wir plötzlich zu VIPs geworden?

Wir wurden von den Polen sofort ins Team integriert, man zeigte uns, wo die Küche und die Duschen waren, zeigte uns den Weg zu unserem Zimmer, nannte uns die Essenszeiten. Von da an konnten wir tun und lassen was wir wollten. 

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Wanderer auf den Gesteinsfeldern des Gletschers Hansbreen

Natürlich wollten wir möglichst viel erleben, viel von der Landschaft sehen, in die wir hier so unverhofft gesetzt worden waren. Wir fragten nach einer Empfehlung, was wir uns in der Nähe der Station anschauen könnten, und erfuhren, dass wir auf keinen Fall alleine nach draußen durften. Es sei nämlich Vorschrift und wegen der Eisbären auch angemessen, dass man sich auf Spitzbergen außerhalb geschlossener Ortschaften nur bewaffnet aufhalten darf. Wir könnten natürlich Waffen aus der Station haben, man würde sich aber wohler fühlen, wenn wir in Begleitung wären und Anja, eine Glaziologin erklärte sich spontan bereit, mit uns zum nahe gelegenen Gletscher zu gehen. Anja mit einem Gewehr, ich mit einer Pistole und alle drei mit Kameras bewaffnet machten wir uns auf den Weg. 

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Die beschädigte PAGAN setzt Segel für die Rückfahrt nach Tromsö

Wir gingen zunächst hinunter zur Bucht, wo wir am Strand einige interessante, bizarr geformte Eisbrocken bewundern konnten, während der Rest der Crew gerade die Pagan zum Auslaufen für den Rückweg fertig machte. Langsam, sehr langsam verschwand die Jacht im Nebel und wir schlugen den Weg über die Moräne in Richtung zum Gletscher Hansbreen ein.

Svalbard
Moosbedeckte Berge auf Svalbard

Dort, direkt am Rand des Eises war das Geröll so nass und von Schlamm durchsetzt, dass wir mehrere Male beinahe versanken und ein Weiterkommen nur sehr mühsam möglich war. Wir stiegen immer höher bis zum Fuß des im Nebel liegenden Fugleberget, der seinem Namen „Vogelberg“ mit seinen tausenden nistenden Vögeln alle Ehre machte. Diese Vögel waren es dann auch, die mit ihren Ausscheidungen dafür sorgten, dass der Boden immer mehr mit saftigem, grünen Moos bedeckt war, je näher wir an den Berg heran kamen. Sogar einzelne Blüten und Pilze waren zu sehen, von denen es hieß, dass auf Spitzbergen die Pilze höher wuchsen als die Bäume. Klingt zwar beeindruckend, liegt aber nur daran, dass Spitzbergen weit nördlich der Baumgrenze liegt.

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Die Rentiere warten auf Svalbard auf ihren Weihnachtseinsatz

Auf dem weichen und feuchten Teppichboden gelangten wir immer weiter in die unwegsamen und von einzelnen Wasserläufen durchsetzten Hügel. Dort entdeckten wir nach einiger Zeit mehrere Rentiere, die sich selbst dann nicht aus der Ruhe bringen ließen, als wir ihnen beinahe bis auf Tuchfühlung näher gekommen waren. Begeistert machten wir einige Fotos von diesen geduldigen Tieren und folgten danach Anja auf dem Weg zurück zur Polarstation. Dort verbrachten wir einen langen und gemütlichen Abend mit den polnischen Forschern und konnten ganz besonders die ausgeprägte Gastfreundschaft genießen. Spät in der Nacht konnten wir über den Fernmeldesatelliten der Station auch noch Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen und uns so nach längerer Zeit wieder einmal zuhause melden. Eine ganz besondere Wohltat war dann so gegen zwei Uhr eine richtig schöne heiße Dusche, bevor wir uns in unsere Stockbetten verkrochen, das schlafen bei Helligkeit waren wir ja inzwischen gewöhnt.


Fugleberget

Svalbard, Spitzbergen
Hütte am Strand von Spitzbergen

Am Dienstagvormittag wurde uns von der Station wieder ein Bodyguard zugeteilt, mit dem wir uns einige Stunden an der Küste herumtrieben. Bei unerwartet milden Temperaturen konnten wir wieder mehrere Rentiere aus nächster Nähe beobachten, während in der Bucht ein Kreuzfahrschiff vor Anker ging. Eine große Meute Touristen fiel über die Forschungsstation her, fotografierte fasziniert die Hunde an ihrer Kette und war nach etwas mehr als einer Stunde auch schon wieder verschwunden.

Andrea und ich übernahmen für diesen Tag den Küchendienst und bereiteten für alle 30 Bewohner der Polarstation panierte Schnitzel mit einer riesigen Schüssel Kartoffelsalat. Das Essen wurde gerade noch rechtzeitig zur täglichen Mahlzeit um 15 Uhr fertig, zu der wir heute die Besatzung einer kleineren Jacht als Gäste begrüßen konnten. Vater und Sohn waren mit ihrer „Wet Kiss“ von Holland bis hier her gesegelt und wollten in Longyearbyen ihre Mutter mit an Bord nehmen, um eine Familienreise durch die Arktis zu unternehmen. Klang für uns schon ein wenig blauäugig, hatte aber bisher ja gut geklappt. Immerhin tat sich damit für uns eine Gelegenheit auf, in den nächsten Tagen weiter zur Hauptstadt zu kommen, falls der Versuch mit der Polarstar nicht klappen sollte. Bisher konnten wir nämlich noch keinen Kontakt mit dem Eisbrecher herstellen.

Svalbard, Spitzbergen
Unterwegs auf Spitzbergen

Am Nachmittag erklärte sich Tomasz, der Leiter der diesjährigen Expedition, bereit, mit uns eine weitere Wanderung in die angrenzenden Berge zu unternehmen, zu der sich auch die Besatzung der Wet Kiss und Anja anschlossen. Ausgestattet mit drei Gewehren und fünf Spiegelreflexkameras machten wir uns gegen 17 Uhr auf den Weg. Wir stiegen erst über weite Moosflächen, danach über Schneefelder zu einem Hochplateau, wo uns Tomasz vor die Wahl stellte, noch fünf mal so hoch bis zum Gipfel, oder wieder hinab in das nächste Tal zu steigen.

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Lummen am Fugleberget auf Spitzbergen

Natürlich entschieden wir uns beinahe einstimmig für den Weg nach oben, hatten wir doch die Hoffnung bis über die Wolken hinaus zu kommen, die dick über unserer aktuellen Höhe lagen. Tomasz erklärte zwar erst, ihm sei die Tour zu anstrengend und er werde zur Station zurückkehren, blieb dann jedoch trotzdem bei uns und hatte offensichtlich den gleichen Spaß wie wir. Mühsam suchten wir unseren Weg durch den Nebel nach oben, wobei wir teilweise regelrecht klettern mussten. Unterwegs kamen wir sehr nah an den Vogelfelsen vorbei, wo wir einige schwarz weiße Lummen beobachteten, bevor wir auf dem Grat eine kleine Pause einlegten.

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Der Leiter der polnischen Polarforschung auf dem Fugleberget, Spitzbergen

Jetzt erst wurde uns klar, dass wir für eine Bergwanderung denkbar schlecht ausgestattet waren. Wir hatten keinerlei Verpflegung und auch keine Getränke eingepackt, waren wir doch davon ausgegangen, nach spätestens zwei Stunden wieder zurück zu kommen. Während wir noch rasteten lichtete sich plötzlich der Nebel und gab einen wunderbaren Blick auf die Gipfel der Umgebung frei, die jetzt über den tiefer liegenden Wolken zu schweben schienen. Dieses Panorama begeisterte uns so sehr, dass wir frisch motiviert weiter zum Gipfel eilten. 

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Blick vom Fugleberget zum Gletscher Hansbreen

Die letzten Meter hatten es ganz schön in sich, bis wir auf 569 Meter über dem Meeresspiegel die höchste Stelle unserer Wanderung erreicht hatten. Auf dem winzigen Gipfel hatten immer nur zwei Personen gleichzeitig Platz, so dass wir uns ständig abwechseln mussten. Von hier oben konnten wir sehr gut die Struktur des fließenden Eises auf dem angrenzenden Gletscher betrachten, der in der Nähe der Station das Meer erreicht. Es war sehr eindrucksvoll, dass wir uns um diese Uhrzeit, inzwischen war es schon acht Uhr abends geworden, gerade auf dem Gipfel einer Bergwanderung befanden und keine Eile haben mussten, vor einbrechender Dunkelheit wieder ins Tal zu kommen.

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Aura um den Schatten des Photographen auf Svalbard

Sehr gut gelaunt und glücklich über das geschenkte Erlebnis machten wir uns an den Abstieg. Als wir uns dem unter uns liegenden Nebel näherten, entdeckten wir unsere eigene Projektion auf der weißen Wolkenwand, die durch die tief hinter uns stehende Sonne verursacht wurde und die durch eine kreisrunde Aura in den Farben des Regenbogens umgeben war. Ein gespenstischer und beeindruckender Anblick wegen dem alleine es sich schon gelohnt hätte, diese Wanderung zu unternehmen. Mit Tomasz an der Spitze erreichten wir bald einen Sattel zwischen dem Ariekammen und dem Fugleberget, wo er uns erklärte, dass wir von jetzt an über das steile Schneefeld bis in die Nähe der Forschungsstation gehen mussten. 

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Jürgen am Fugleberget auf Svalbard

Er kenne diesen Weg sehr gut, weil er sich im Winter mit dem Schneemobil über den Gletscher auf der anderen Seite an diese Stelle bringen lasse und von hier mit den Skiern abfahre. Kurz entschlossen packte er seine Regenjacke aus, setzte sich darauf und war gleich darauf unter fröhlichem Gelächter im Nebel verschwunden. Wir setzten ihm mit großen Schritten nach, ohne jedoch seine Geschwindigkeit erreichen zu können. Dabei entwickelten wir eine neue Gangart, die aus einer Mischung aus laufen, springen und gleiten bestand und es erlaubte, in kurzer Zeit ohne große Anstrengung einen ansehnlichen Abstieg zu bewältigen. Natürlich ging der Rückweg auf diese Art wesentlich schneller als der Anstieg, so dass wir recht bald die Ebene erreichten. Hier war es zunächst schwierig einen trockenen Weg zwischen den vielen Wasserläufen zur Bucht zu finden, in der in der Zwischenzeit eine weitere Jacht vor Anker lag.

Zurück in der Station lernten wir Gary und Kirstin kennen, die mit ihrer WANDERING ALBATROSS seit 15 Jahren auf den Weltmeeren unterwegs waren. Ursprünglich aus Südafrika stammend hatten sie sich für dieses Jahr den Besuch der Arktis und der Antarktis innerhalb eines Jahres zum Ziel gesetzt. Für Andrea und mich wären sie jetzt schon die zweite Gelegenheit gewesen, mit der wir notfalls nach Longyearbyen gekommen wären.


POLARSTAR

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Die POLARSTAR liegt in der Bucht Isbjornhamna von Spitzbergen

Da uns beiden aber die Idee einer Reise mit dem Eisbrecher recht gut gefiel, versuchten wir weiter, die Polarstar zu erreichen. Gegen zwei Uhr am nächsten Morgen hatten wir das Glück und erhielten die Zusage, dass das Schiff am Vormittag in der Bucht festmachen werde und dass man bereit sei, uns in einer freien Kabine mit zu nehmen.

Als am nächsten Morgen der Kapitän und der Eigner der Polarstar zur Station kamen, wurden wir uns schnell einig und setzten nach dem Abschied mit einem der Schlauchboote über. Wir bekamen eine Außenkabine im Heck des Schiffs, richteten uns notdürftig ein und machten uns sofort an die Erkundung. Dabei stellten wir fest, dass auf der Polarstar eine Open Bridge Philosophie bestand, das heißt dass jeder Passagier zu jeder Zeit auf die Brücke kommen durfte, die Offiziere bei der Arbeit beobachten konnte und sich über alle Schifffahrtsangelegenheiten informieren konnte. Das war für uns natürlich super interessant und wir verstanden uns auf Anhieb mit der gesamten Besatzung, die ihrerseits auch an unseren Erlebnissen großes Interesse zeigte.


Brepollen

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Die POLARSTAR am Brepollen auf Svalbard

Nach dem Ablegen fuhren wir zunächst tief in den Hornsund hinein bis an das östliche Ende zum Brepollen. Dort fließt ein riesiger Gletscher mit steilen, bis zu 30 Meter hohen Abbrüchen in den Fjord. Der Eisbrecher konnte wegen seiner stabilen Bauweise bis direkt an das Eis heranfahren, wo andere Schiffe und natürlich erst recht eine Segeljacht einen großen Sicherheitsabstand einhalten müssten. In Abständen von teilweise weniger als einen Meter glitten wir im Schneckentempo an der gesamten Front entlang, wobei der Kapitän eindrucksvoll demonstrierte, wie feinfühlig er dieses 120 Meter lange Schiff bewegen konnte. Sämtliche Passagiere waren auf der Brücke oder auf dem Vorschiff und staunten oder fotografierten und für uns beide war jetzt schon klar, dass die Entscheidung mit dem Dampfer zu fahren die richtige gewesen war.

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Die POLARSTAR liegt im Samarinvagen während wir mit Schlauchbooten den Fjord erkunden

Im Anschluss an den Brepollen besuchten wir Samarinvagen, einen südlichen Seitenarm des Hornsund. Hier wurden die Schlauchboote zu Wasser gelassen und mit jeweils zehn Touristen auf die Erkundung dieses Teils des Fjordes geschickt. Wir bahnten uns unseren Weg durch Treibeis in Richtung eines größeren Abbruchs des Gletschers, wo wir hofften, dass wir den Gletscher beim Kalben beobachten konnten. Schon auf der Fahrt dort hin hörten wir über das Motorengeräusch das dröhnende Krachen des herabstürzenden Eises, konnten aber den Vorgang an sich noch nicht sehen. Doch als wir uns dann in unmittelbarer Nähe vor der Steilwand befanden, lösten sich einige weitere Brocken Gletschereis und krachten spektakulär ins Wasser, näher wollte nun niemand mehr heran. 


Samarinvagen

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Treibende Eisschollen im Samarinvagen

Nachdem wir das Schauspiel einige Zeit lang bewundert hatten, setzten wir unsere Fahrt durch die Bucht fort, kamen an einigen eindrucksvollen Eisschollen vorbei und gingen in einer kleinen Seitenbucht an Land. Dazu mussten die Schlauchboote mit relativ hoher Geschwindigkeit auf den Fels gefahren werden, damit sie auch sicher liegen blieben. Denn niemand hatte große Lust in diesem eiskalten Wasser zum Boot zurück schwimmen zu müssen. Der kurze Ausflug auf der Gletscherzunge war nicht besonders ergiebig und für einige der schon recht betagten Passagiere eher gefährlich, weshalb die Führerin unseres Bootes anschließend auch gerügt wurde.


Nach der Rückkehr an Bord nahmen wir Fahrt aufs offene Meer, wo am späten Abend Wale beobachtet werden sollten. Einer der Offiziere erklärte, dass die Wale am arktischen Schelf, dort wo der Meeresboden von 1200 auf 200 Meter ansteigt, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu beobachten sein werden. Erst lange nach dem Abendessen wurden im inzwischen wieder aufgezogenen Nebel einige Wale gesichtet. Durch die Lichtverhältnisse und die Entfernung zu den Tieren waren allerdings keine so eindrucksvollen Bilder mehr möglich, wie die von der Pagan einige Tage früher. Auch war die Begegnung mit dem Wal von Bord eines großen Schiffes wesentlich distanzierter als von einer Jacht, die ja kleiner als der Meeressäuger war. Nach einigen Drinks in der Bar, wo wir uns noch mal ausgiebig mit dem Kapitän unterhielten, beendeten wir diesen Tag.

Am nächsten Vormittag wurde am Eingang des Ilsfjord ein weiterer Landgang zu der dortigen Radiostation angeboten, den ich aber dankend ablehnte. Ich hatte keine Lust bei Nieselregen um verfallene Holzhütten zu schleichen und versprach mir von diesem Ausflug auch keine besonderen Fotogelegenheiten, was mir Andrea nach ihrer Rückkehr auch bestätigte. Stattdessen verbrachte ich einen ruhigen Faulenzertag auf dem Schiff und freute mich darauf, bald wieder etwas Interessanteres entdecken zu können. Da dies der letzte Tag an Bord war wurde am Abend in einem Seitenarm des Ilsfjord ein Barbecue auf dem Achterdeck der Polarstar abgehalten. Begleitet von einigen Aufführungen und Präsentationen, gab es ein riesiges, liebevoll gestaltetes Buffet, sowie eine große Auswahl vom Holzkohlegrill. Erst kurz nach Mitternacht machten wir uns auf die letzte Etappe, die uns bis zum frühen Morgen nach Longyearbyen führte. Hier mussten wir die Polarstar nach dem Frühstück verlassen und waren zunächst wieder einmal auf dieser Reise obdachlos.

Spitzbergen, Svalbard, Longyearbyen
Longyearbyen, die Hauptstadt von Spitzbergen hat keine Sehenswürdigkeiten zu bieten

Auf den ersten Blick war in der Stadt zu erkennen, dass die Zeit von Freitagvormittag bis zum Rückflug am Montag hier zu einer langweiligen Angelegenheit werden würde und wir waren uns sofort einig, noch für denselben Tag Möglichkeiten zur Heimreise suchen zu wollen. Glücklicherweise waren auch tatsächlich noch Plätze über Oslo nach Hamburg zu erhalten, von wo wir dann mit der Bahn nach Hause reisen konnten.