Diese Reise nach Lappland ist von uns als eine Art Test für Gruppenreisen des Anbieters Seabridge vorgesehen, bei der wir einmal ausprobieren wollen, wie gut wir für dieses Reisekonzept geeignet sind. Nun sind wir zwar grundsätzlich bevorzugt in Eigenregie unterwegs, doch gibt es Gründe, sich vielleicht einmal einer Gruppe anzuschließen. Dies gilt aus unserer Sicht vor allem für Länder, die nicht den hohen Standard an Infrastruktur und Sicherheit bieten, wie wir das gewohnt sind, oder auch für Länder, für die die Beschaffung von Visa und Genehmigungen ohne ein bestehendes Netzwerk schwierig werden kann. Auch bei dieser Fahrt ist es schon so, dass eine professionelle Organisation vieles erleichtern kann, selbst wenn das Reisen nach und durch Finnland sicherlich nicht problematisch werden würde, von eventuellen Einschränkungen wegen Corona einmal abgesehen. Da die Fahrt einschließlich aller Stellplätze und der Fähren zwischen Travemünde und Helsinki von Seabridge organisiert wird, bleibt uns nichts Weiteres zu tun, als unsere Ausrüstung zu komplettieren und dafür zu sorgen, dass der Vagabund auf den Winter vorbereitet ist. Was Heizung und Isolation angeht, fühlen wir uns mit dem PhoeniX sehr gut ausgestattet, so dass hier nicht allzu viel ansteht.
Für den Fall, dass wir einmal feststecken und die Differentialsperre nicht ausreicht, nehmen wir einen Satz Sandbleche aus Kunststoff mit. Aus der großen Auswahl im Internet scheinen die CStern Recovery Boards am besten für unsere sechseinhalb Tonnen geeignet zu sein.
Diese Boards sollen laut Hersteller bis zu 10 Tonnen tragen können, was für eine kurze Zeit wahrscheinlich auch klappt. Als wir uns probehalber einmal mit der Hinterachse darauf gestellt haben, sah man schon nach kurzer Zeit, dass sie etwas nachgeben, aber wir wollen ja nicht dauerhaft darauf stehen. Die einzelnen Bretter haben eine Länge von 105 cm und sind 28,5 cm breit. Wir haben bewusst die orange Farbe gewählt, dass wir sie nach der Benutzung im Schnee gut wieder finden.
Auch wenn in der Reisebeschreibung steht, dass sie nicht erforderlich seien, halten wir es für richtig, zumindest für die angetriebene Hinterachse einen Satz Schneeketten dabei zu haben. Es war nicht so einfach, sich zu entscheiden, brauchen wir echte (und teure) LKW-Schneeketten, oder reichen für den Fall der Fälle auch preiswertere Exemplare. Bei einem Seabridge-Treffen hatte uns der Fahrer eines ähnlichen Wohnmobils einfache PKW-Ketten empfohlen, mit denen er selbst schon gute Erfahrungen gemacht hat. Wir haben uns am Ende für eine Oettinger Kette entschieden, die immerhin für Leicht LKW angeboten wird und mit einem Preis von knapp 130,- Euro auch noch völlig im grünen Bereich liegt.
Bei den zu erwartenden tiefen Temperaturen, die im Februar noch leicht die -20°C Marke erreichen können, müssen wir damit rechnen, dass die Bodeneinlässe für Abwasser zugefroren sein werden. Daher besorgten wir einen 35 Liter fassenden Rolltank, einen passenden kürzeren Abwasserschlauch und den dafür erforderlichen Bajonettadapter zum Anschluss an unser Auto. So können wir notfalls auch mobil in beheizten Räumen entsorgen.
Nach dem Erfahrungsaustausch mit anderen Reisenden haben wir dann noch zusätzlich zwei ganz normale große Eimer eingepackt, die in jedem Fall unkompliziert verwendet werden können.
Ähnliches gilt natürlich für die Frischwasserversorgung, für die wir zwei 14 Liter Gießkannen dabei haben werden. Das Befüllen des Wassertanks geschieht damit ganz einfach falls die Anschlüsse für unseren Schlauch nicht nutzbar sein sollten.
Am 25. Januar erreicht uns die Nachricht, dass der Veranstalter Seabridge die gesamte Reise nach Lappland wegen dieses fiesen Virus absagen muss. Bei der Fahrt eines der Reiseleiter durch Finnland in den letzten Wochen wurde die Lage als zu kritisch eingeschätzt, um mit Gruppen dorthin reisen zu können. Insbesondere das Infektionsrisiko sei von Seiten des Unternehmens nicht zu verantworten. Auch wenn wir das alles sehr gut verstehen, als Reiseveranstalter sicherlich genauso entschieden hätten, sind wir fast am Boden zerstört. Ein weiterer Traum, der wegen Corona platzt.
Nachdem bereits unsere Fahrt nach Irland 2020 nicht stattfinden konnte, trifft uns diese Absage hart, worauf kann man sich in diesen Zeiten denn noch freuen?
Auch wenn es zunächst keinen Spaß macht, entwickeln wir in den folgenden Tagen einen Plan B. Schließlich wollen wir trotzdem mit dem Wohnmobil unterwegs sein und den Urlaub auf keinen Fall verschieben. Es ist dabei insbesondere wichtig, ein Ziel zu finden, für das die Einreisebestimmungen aus heutiger Sicht keine Probleme erwarten lassen.
Aus einem Plan B werden schnell mehrere, da sich aktuell die Vorschriften beinahe täglich ändern.
Schweden
Die erste Option, die uns einfällt ist, dass wir auf eigene Faust nach Lappland reisen, jedoch auf der schwedischen Seite, wo die Einreise unkritischer ist und auch die Kosten für die Fähre deutlich geringer sind. Dadurch dass man in Schweden deutlich südlicher ankommt als in Finnland, sind allerdings die zu fahrende Strecken im Land sehr lang, wollen wir doch auf jeden Fall bis deutlich über den Polarkreis nach Norden vorstoßen. Da käme die Erholung zu kurz, also verwerfen wir diesen Plan sofort wieder.
Spanien
Wenn schon die polare Kälte nicht möglich sein soll, so wollen wir als nächste Alternative möglichst milde Regionen anpeilen. Nach einem knappen Tag Arbeit steht bald eine Route zur spanischen Nordküste, die dann flexibel bis nach Andalusien erweitert werden kann. Das wären zwar insgesamt fast 6.000 km, scheint uns aber bei Straßen ohne winterliche Bedingungen machbar und hellt daher unsere Stimmung wieder deutlich auf.
Finnland
Am 29. Januar erfahren wir, dass auch Finnland die Einreisebestimmungen lockern wird und dadurch das Risiko einer Zurückweisung an der Grenze entfällt. Warum sollten wir also nicht doch die bisher mit Seabridge geplante Fahrt auf eigene Faust unternehmen?
Noch am selben Tag werden mögliche Stellplätze und Aktivitäten gesucht und gefunden und eine geeignete Route festgelegt. Diese weicht natürlich von der geplanten Gruppenreise ab, da uns als Einzelreisende die Verbindungen im Land fehlen und wir so zunächst nur Ziele anfahren können, die wir in unseren Apps auch finden. Dabei ist die Stellplatz-App park4night super hilfreich, diese verwenden wir bevorzugt bei allen unseren Fahrten.
Im Internet finden wir auch Angebote für interessante Unternehmungen von Husky Schlitten bis zu Schneemobilen, Rentieren und vielem mehr, die wir unterwegs dann flexibel buchen können.
Aktuell scheint es so, dass die Buchung der Fähre nach Helsinki auch kurzfristig ohne Probleme möglich ist, was es uns erlauben wird, tatsächlich erst kurz vor der Abfahrt die Richtung zu entscheiden.
Wir sind jetzt selbst gespannt, wohin die Reise letztendlich am 19. Februar gehen wird. Die heutige Tendenz geht gerade wieder in Richtung Norden.
Am 12. Februar hat Finnland alle Einreisebeschränkungen aufgehoben. Wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, sollen in den nächsten Wochen zudem alle Beschränkungen wegen Corona abgeschafft werden. Das machte uns die Entscheidung leicht, in welche Richtung wir fahren werden. Durch die Aufhebung können wir damit rechnen, dass wir bei der Ankunft keine Probleme haben werden. Schon aus Eigeninteresse werden wir natürlich trotzdem vorsichtig sein, können aber zum Glück diesbezüglich eine unbeschwerte Reise erwarten.
Nun wird auch die Fähre gebucht, wir erwischen noch einen attraktiven Tarif, in dem sogar Außenkabinen für Hin- und Rückfahrt enthalten sind, so dass es ab jetzt nur noch um die Umsetzung geht.
Sofort beginnen wir mit dem Packen und dem Befüllen sämtlicher Vorräte, wobei insbesondere unser Gastank Beachtung findet. Den haben wir während unserer letzten Fahrt so viel wie möglich genutzt, so dass nur noch wenige Prozent Restmenge enthalten sind. Beim Gashändler Soboth in Frankfurt tanken wir fast reines Propangas, das im Gegensatz zu Butan oder einem beliebigen Gemisch einen Gefrierpunkt von unter -30°C hat. So sind wir sicher, dass wir den gesamten Vorrat auch tatsächlich zur Verfügung haben werden. Wir freuen uns jetzt riesig auf unsere Reise in den Norden.
Kaum haben wir das Thema Corona für unsere Reise erst einmal hinter uns gelassen, da erwischt uns auch schon der nächste Sturm. Und diesmal im Wortsinn. Die ganze Woche vor der Abfahrt zieht ein Sturmtief nach dem anderen über Deutschland und bringt viele Pläne durcheinander. So auch unseren. Schon am Donnerstag erhalten wir einen Anruf von der Reederei, dass unsere geplante Überfahrt am Montag früh nicht stattfinden kann und wir daher auf den folgenden Tag umgebucht werden. Also haben wir etwas mehr Zeit in Lübeck.
Samstag, 19. Februar fahren wir wie geplant in Richtung Norden zu unserem ersten Zwischenhalt in Egestorf am Rand der Lüneburger Heide. Unterwegs werden wir zwar etwas durchgeschüttelt, doch ist die Fahrt insgesamt ruhig und entspannt. In Egestorf sind wir diesmal völlig alleine, kein einziges weiteres Wohnmobil ist zu dieser Jahreszeit hierher unterwegs. Am Sonntag geht es bei weiterhin stürmischem und regnerischem Wetter weiter nach Lübeck, wo wir zunächst unsere Tanks mit Diesel und AdBlue auffüllen, um in Finnland nicht gleich auf die Suche nach einer Tankstelle gehen zu müssen.
Nach einem sehr leckeren Essen in unserem Lieblingsrestaurant Fangrisch fahren wir zum Stellplatz An der Hülshorst, wo wir eine verhältnismäßig ruhige Nacht mit starkem Wind und heftigem Schneefall verbringen. Dabei haben wir das Glück, im Windschatten eines großen Fabrikgebäudes zu stehen, wodurch uns der Sturm nicht direkt erwischt.
Wir verbringen einen ruhigen und etwas regnerischen Montag in Lübeck, wobei wir fast das Gefühl haben, die einzigen Besucher in der Stadt zu sein. Sogar der Lübecker Marzipanspeicher ist zurzeit geschlossen, so dass wir heute zum ersten Mal die Marzipantorte im Cafe Niederegger versuchen. Insgesamt gefallen uns persönlich die Atmosphäre und das Angebot im Marzipanspeicher etwas besser, ist aber auch so ein schöner Zeitvertreib.
Gegen 23:00 Uhr fahren wir zum Skandinavienkai in Travemünde, wo wir bald die richtige Spur zum Check in finden und nach nur ganz kurzer Wartezeit auch schon auf die Fähre auffahren können. Über eine steile Rampe geht es im Schiff zu unserem Parkdeck, wo heute rückwärts eingeparkt wird, so wird das ganze bei der Ausfahrt für alle einfacher.
Unsere Kabine befindet sich auf dem gleichen Deck, wir haben also einen ideal kurzen Weg mit unserem kleinen Handgepäck. Nach einem ganz kurzen Rundgang durch das Schiff legen wir uns schlafen und bekommen kaum mit, als das Schiff um 2:45 Uhr in der Nacht ablegt und Fahrt über die Ostsee nach Nordosten aufnimmt.
Der Dienstag beginnt mit einem sehr leckeren und ausführlichen Brunch im Restaurant des Schiffes, von wo wir immer einen schönen Blick auf das Meer und die Küste am Horizont haben. Der Nachmittag gehört unseren Büchern und viel Entspannung, bis es am Abend noch einmal ein gutes Essen aus der Schiffsküche gibt und wir recht früh in unsere Kojen kriechen, um am Morgen gut ausgeschlafen zu sein.
Wie schon während der gesamten Überfahrt haben wir auch am Mittwochvormittag fast keinen Seegang und können die restliche Fahrt ohne großes Schwanken des Schiffes genießen. Wegen der Stürme der vergangenen Tage hatten wir schon einige Bedenken, dass wir eine rauere See erleben würden, da haben wir viel Glück gehabt. So genießen wir die Anfahrt auf Helsinki und staunen nicht schlecht, als wir erkennen, dass die Ostsee in diesem Bereich mit einer dünnen Eisschicht zugefroren ist. Die Fähre bahnt sich ihren Weg ohne Schwierigkeiten durch das Eis und legt pünktlich um 9:15 Uhr im Hafen an. Jetzt kann es losgehen.
Nach einer halben Stunde Wartezeit, während der wir uns mit anderen Wohnmobilreisenden austauschen, können wir ausfahren und kommen auf sehr direktem Weg ohne jegliche Kontrollen auf die Autobahn.
Auf durchgängig gut ausgebauter und gut geräumter Straße kommen wir zügig vorwärts und erreichen kurz nach 14:00 Uhr die alte Kirche von Petäjävesi, auf deren Parkplatz wir die heutige Nacht verbringen werden.
Bei -10°C machen wir einen kleinen Spaziergang durch den knirschenden Schnee zur Kirche, die leider abgeschlossen ist, aber auch von außen hübsch anzusehen ist. Die kleine Kirche wurde im 18. Jahrhundert erbaut und gehört seit 1994 zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Für morgen ist ein deutlicher Temperaturanstieg und am Nachmittag Regen vorhergesagt, wir werden auf jeden Fall versuchen, rechtzeitig an unserem nächsten Tagesziel in Oulu anzukommen.
Als wir am Donnerstag, 24. Februar früh morgens aufwachen, schneit es bereits heftig. Hatten wir doch gehofft, vor dem für heute vorhergesagten Niederschlag ans Ziel zu kommen, wird das jetzt nichts mehr. In aller Eile frühstücken wir, um wenigstens die im Moment noch gut befahrbar aussehenden Straßen nutzen zu können, bevor im schlimmsten Fall alles im Neuschnee versinkt. Mit einiger Vorsicht und mit viel Respekt tasten wir uns voran, während der ersten 30 Kilometer ziehen wir eine längere Kolonne PKWs hinter uns her, die glücklicherweise ganz entspannt hinter uns bleiben und sich anscheinend nicht an unserem Tempo stören. Mit der Zeit wird das Vertrauen in die Straße besser, auch wenn oft eine dünne Schneeschicht in den Fahrspuren zu sehen ist, außerhalb der Spur ist sowieso alles weiß.
Die Sicht ist erträglich und der Verkehr fließt mit den recht wenigen Fahrzeugen ganz ohne Aufregung, so dass wir bald mit fest eingestellten 80 km/h beständig in Richtung Norden fahren. Einmal lockt uns das Navi von der wohl noch unbekannten neuen Autobahn auf eine Landstraße, die mit einer dicken Schnee- und Eisschicht bedeckt ist und sich deutlich schlechter fahren lässt. Bei nächster Gelegenheit widersetzen wir uns den Anweisungen und fahren wieder zurück auf die Autobahn. Nach gut fünf Stunden haben wir die heutigen 380 Kilometer hinter uns gebracht, und erreichen Oulu, eine Großstadt direkt an der Ostsee.
Das letzte Stück der Strecke zum Campingplatz führt über eine festgefahrene Schneedecke, wodurch die Orientierung etwas schwierig wird. Am Platz richten wir uns erst einmal gemütlich ein und warten, dass der inzwischen sehr heftige Schneefall wie vorhergesagt am Nachmittag aufhört und wir ein bisschen die Gegend erkunden können.
Um halb vier ist es soweit. Wir ziehen uns warm an und machen uns auf den Weg zum Ostseestrand. Da wir uns den Umweg über den Haupteingang des Campingplatzes sparen wollen, wählen wir den direkten Strandzugang, der allerdings nicht vom Schnee geräumt ist. So müssen wir uns durch tiefen Schnee kämpfen, in den wir immer wieder bis zum Knie und tiefer einsinken, insgesamt ein ziemlich anstrengendes Unternehmen.
Die Ostsee ist in Strandnähe völlig zugefroren und dick mit Schnee bedeckt, der Übergang vom Strand zum Meer ist kaum zu erkennen. Wir gehen bei strahlendem Sonnenschein bis zu einem kleinen Aussichtsturm und ein Stück am Strand entlang. Von hier marschieren wir auf gepflegten Wegen bis in die Stadt Oulu, die wir über einige lange Fußgängerbrücken nach einer guten halben Stunde erreichen.
Im Restaurant Sokeri-Jussin Kievari essen wir gutes Rentierragout und machen danach noch einen kurzen Rundgang durch das Stadtzentrum. Die größte Sehenswürdigkeit von Oulu ist das Denkmal des Marktpolizisten Toripolliisi, das direkt vor der Markthalle aufgestellt ist. Bei Dunkelheit und teilweise kräftigem Gegenwind kommen wir zurück zum Campingplatz.
Schon am Freitagvormittag scheint die Sonne und begleitet uns durch den ganzen Tag. Wir fahren knapp über 100 Kilometer bis nach Tornio am nördlichen Ende des Bottnischen Meerbusens und direkt an der Grenze nach Schweden. Jetzt sind wir tatsächlich in Lappland angekommen, das sich von hier bis in den äußersten Norden des Landes erstreckt.
Bei Tornio stehen wir auf einem ziemlich einsamen Campingplatz, dessen Betreiberin mit einem großen Radlader die einzelnen Stellplätze für Wohnmobile von den Schneemassen befreit. Bei angenehmen Temperaturen um den Gefrierpunkt genießen wir den Sonnenschein und spielen am Nachmittag ausgelassen mit dem Schnee.
Am Samstag fahren wir bei strahlendem Sonnenschein immer weiter nach Norden. Nach etwa hundert Kilometern überqueren wir den Polarkreis, der nur durch ein schlichtes Hinweisschild markiert ist und daher fast übersehen werden kann. Nun sind wir also in der nördlichen Polarregion am Rande der Arktis angekommen.
Die Fahrt führt durch wunderschöne Landschaft mit Hügeln und dichten Wäldern, wobei die Bäume langsam immer kleiner werden, je weiter wir nach Norden kommen. Bald erreichen wir den Campingplatz von Äkäslompolo, wo wir zunächst vor verschlossenen Türen stehen. Erst mit Hilfe einer finnischen Touristin lässt sich die Betreiberin finden und wir können uns einen Stellplatz aussuchen. Wir stehen mit Blick zum zugefrorenen und eingeschneiten See und haben eine schöne Aussicht auf die umliegenden Berge mit ihren Skipisten.
Im etwa einen Kilometer entfernten Ort besuchen wir mehrere Veranstalter verschiedener Aktivitäten. Wir möchten sehr gerne Rentiere sehen, mit Huskies Schlitten fahren und mit Schneemobilen durch die Gegend brausen. Das alles wird hier angeboten, doch ist es nicht so, dass wir uns die Termine aussuchen können wie wir wollen, vieles ist bereits auf mehrere Tage ausgebucht. Bei zwei verschiedenen Anbietern können wir unser Programm für die nächsten Tage zusammenstellen und sind jetzt sehr gespannt auf das was uns erwartet. Polarlichter scheinen erst ab Donnerstag wieder möglich zu sein, wir werden sehen wie sich das entwickelt und wie die Wetterbedingungen bis dahin sein werden. Schon unterwegs haben wir ein bayrisches Paar mit ihrem Wohnmobil wieder getroffen, mit denen wir uns bereits auf der Fähre unterhalten hatten. Abends gehen wir gemeinsam im Public House Selvä Pyy gute Burger aus Rentierfleisch essen. Im Restaurant ist viel Betrieb, insbesondere Wintersportler verbringen hier ihren Apres Ski Abend.
Der Sonntag, 27. Februar beginnt mit Sonnenschein und verhältnismäßig milden Temperaturen um den Gefrierpunkt. Am frühen Nachmittag marschieren wir zur Agentur und fahren von dort mit etwa 20 weiteren Gästen im Bus zu einer Rentierfarm mitten im Wald. Wir werden sehr freundlich begrüßt, in zwei Gruppen aufgeteilt und gehen zunächst in das Gehege der weiblichen Rentiere, die dort mit etwas Moos aus der Hand gefüttert werden können. Obwohl die Tiere der Farm durchaus an Menschen gewöhnt sind, bleiben sie sehr scheu und zurückhaltend, immerhin verbringen sie den gesamten Sommer in freier Wildbahn und erhalten sich so ihre natürlichen Instinkte.
Nach der Fütterung treffen wir uns im Tipi, in dessen Mitte ein munteres Feuer brennt. Jeder bekommt eine Tasse heißen Beerensaft und landestypisches Gebäck, während uns einiges wissenswertes zu den Rentieren erklärt wird.
Im Anschluss gehen wir wieder nach draußen, wo einige Rentiere mit angespanntem Schlitten auf uns warten. Jeweils paarweise teilen wir uns einen Schlitten, in denen wir bequem nebeneinander auf Rentierfellen Platz nehmen. Nach der obligatorischen Fotosession, die Guides fotografieren jedes Paar mit deren Kamera, geht es los. In langer Kolonne ziehen uns die Tiere durch den tiefen Schnee.
Ab und zu bleibt eines der Tiere stehen, um etwas von dem Schnee zu naschen, wobei die anderen artig dahinter warten. Der entstandene Abstand zu den vorderen Gespannen wird danach im Galopp wieder aufgeholt. Das fühlt sich fast an wie auf einer Achterbahn. Nach drei Kilometern Fahrt wird es uns langsam kalt, so dass es ganz schön ist, wieder an der Farm anzukommen. Zurück geht es mit dem Bus, der uns direkt vor dem Campingplatz wieder absetzt.
Den Montagvormittag nutzen wir zum Ausschlafen und zur Versorgung und Entsorgung von Wasser für das Wohnmobil. Da bei permanenten Minustemperaturen natürlich keine Außenanschlüsse oder Bodeneinlässe für das Abwasser funktionieren, sind wir hier auf unseren Rolltank und die Gießkannen angewiesen. Nach dreimal gehen sind die Abwassertanks leer, mit den Gießkannen bunkern wir insgesamt etwa 120 Liter Frischwasser, das reicht wieder für ein paar Tage.
Pünktlich vor 13:00 Uhr gehen wir zur Agentur, wo die Schneemobile schon vor der Tür auf uns warten. Nach der Kontrolle der Führerscheine erhalten wir warme Sturmmützen und Helme, danach werden uns die Mobile erklärt. Eigentlich ist alles ganz einfach, rechts ist ein Gashebel, links die Bremse, der Rest geht mit Automatik, das werden wir schon hinbekommen.
Zuerst geht es in gemächlichem Tempo in die Wälder und bald bergan in Richtung zum Skigebiet. Kurz vor dem steilen Anstieg zum Yllästunturi werden von unserem Guide die Drosselungen der Schneemobile abgeschaltet, wodurch wir gleich spürbar mehr Power haben und mit Leichtigkeit den Berg hochbrausen. Dabei ist es am Anfang noch ziemlich schwierig, die nervösen Gefährte auf Kurs zu halten, sie wollen immer den schon vorhandenen Spuren folgen, doch mit etwas Übung kommen wir immer besser zurecht und können als Fahrer die Richtung bestimmen. Je mehr wir uns dem Gipfel des 718 Meter hohen Yllästunturi nähern, umso kälter wird es, was sich durch den starken Wind noch extremer anfühlt. Oben genießen wir die Aussicht auf die Weiten Lapplands und die bizarren Skulpturen, die Wind und Eis während des Winters entstehen ließen.
Steil geht es bergab und mit bis zu 70 km/h über weite Schneeflächen und zugefrorene Seen, in die vereinzelt Eislöcher für die ganz Harten geschlagen wurden, im Idealfall in Kombination mit einer finnischen Sauna direkt daneben. Am Ufer des Kesänkijärvi machen wir eine kurze Rast mit Kaffee und frisch gebackenen Donuts, bevor wir die letzten Kilometer zurück nach Äkäslompolo brettern. Nach insgesamt 3 Stunden und 35 gefahrenen Kilometern sind wir total happy und zugegebenermaßen auch ausreichend erschöpft für einen gemütlichen Abend im Wohnmobil.
Am Faschingsdienstag, dem 1. März sind wir schon um halb neun bei der Agentur, von wo unsere heutige Huskytour starten soll. Auf Empfehlung des Guides ziehen wir robuste und superwarme Hosen und Jacken an, die ohne Probleme auch schmutzig werden dürfen. Unser Guide erklärt uns, dass die Huskies eher keine Rücksicht auf die Kleidung ihrer Fahrer und Passagiere nehmen und dass daher unterwegs häufig Flecken entstehen. Alles wird von der Agentur gestellt, sogar robuste und gut gefütterte Stiefel sind mit dabei. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Auto erreichen wir die Husky Farm mitten im Wald. Sofort stimmen 125 Hunde ein freudiges Gebell an, sie wissen natürlich schon, dass viele von ihnen bald Auslauf bekommen, wenn Gäste eintreffen.
Der Betreiber der Farm gibt uns eine genaue Anweisung, wie die Schlitten zu steuern sind. Für den Passagier ist das denkbar einfach, nämlich rein gar nichts zu tun und nur darauf zu achten, dass Hände und Füße stets innerhalb des Schlittens bleiben. Der Fahrer, der sogenannte Musher, sorgt dafür, dass das Gespann Richtung und Geschwindigkeit wie gewünscht einhält. Zum Lenken dient eine einfache Gewichtsverlagerung, das wichtigste aber ist das Bremsen. Dafür gibt es einen Stahlbügel zwischen den Kufen, mit dessen Hilfe zwei massive Krallen in den Schnee gedrückt werden, wenn der Musher mit seinem ganzen Körpergewicht darauf steigt.
Wir werden eindringlich darauf hingewiesen, den Schlitten immer mit der Bremse unter Kontrolle zu halten, da die Hunde ansonsten ihrem natürlichen Drang folgend mitsamt der Fuhre das Weite suchen würden. Bei steileren Anstiegen soll der Musher außerdem mit dem Fuß etwas nachhelfen, um den Huskies den Anstieg nicht allzu schwer zu machen. Paarweise suchen wir uns einen der bereits angespannten Schlitten aus und schon geht die muntere Fahrt los. Bei uns ist Andrea der Musher und ist zu Beginn überrascht, wie stark die Bremse getreten werden muss, um die Hunde am Losstürmen zu hindern. Klappt aber von Anfang an ausgezeichnet.
Nun geht es fast zwei Stunden lang durch lichten Wald und über verschneite Hochflächen, wobei ein stetes Auf und Ab dem Musher einige Arbeit abverlangt. Auf den letzten etwa sieben Kilometern beginnt es immer stärker zu schneien, was ausgezeichnet zu der traumhaften Stimmung passt. Nach insgesamt zwanzig Kilometern kommen wir zurück zur Farm, wo bereits ein offenes Feuer prasselt und heiße Getränke mit einem kleinen Imbiss angeboten werden.
Das Video gibt euch einen Eindruck unserer Fahrt mit den Huskys durch die verschneiten Wälder und Landschaften in Lappland.
Zurück in Äkäslompolo erhalten wir noch den Tipp, dass am kommenden Wochenende auf dem See ein Rentierrennen stattfindet, kann gut sein, dass wir das in unsere Pläne aufnehmen. Als Zuschauer.
Inzwischen schneit es heftig, so dass wir uns für den Rest des Tages ins warme Wohnmobil verkriechen.
Am Vormittag des Aschermittwochs packen wir bei schönstem Sonnenschein unsere Schneeschuhe aus für den ersten Versuch. Gleich in der Nähe des Campingplatzes, bei der kleinen Kirche Pyhän Laurin Kappeli, beginnt der Aufstieg zum 443 Meter hohen Kuertunturi, einem der sieben Fjells um Äkäslompolo. Wir schnallen unsere Schneeschuhe an und wagen uns sofort damit in den unberührten Tiefschnee. Das misslingt und wir sinken bis über die Knie in den tiefen Schnee ein, selbst die Stöcke bieten nur eine bescheidene Hilfe, von dort wieder herauszukommen. Irgendwie kämpfen wir uns in Richtung des präparierten Weges, wo dann ein sehr einfaches Vorwärtskommen möglich ist.
Das Schöne an den Schneeschuhen ist, dass wir nicht rutschen und auch bei steilen Steigungen ohne Schwierigkeiten gut voran kommen. So geht es immer höher durch dichten Wald und einzelne Lichtungen bis wir langsam in die Gipfelregion des Berges kommen, wo die Vegetation deutlich nachlässt und nur noch einzelne sehr vereiste Büsche und Bäume zu finden sind.
Passend zur gewonnenen Höhe haben inzwischen dichte Wolken die Sonne verdrängt und ein eisiger Wind setzt ein. Dazu beginnt es auch noch zu schneien, was ideal zur mystischen Stimmung hier oben passt. Wir verbringen nicht allzu viel Zeit am Gipfel und machen uns bald an den Abstieg, wo es nach einigen Höhenmetern auch schon wieder angenehmer wird. Vor allem der Wald schützt uns gut vor dem kalten Wind. Nach insgesamt zwei Stunden Wanderung erreichen wir den Campingplatz bei starkem Schneefall und gönnen uns dort erst einmal einen heißen Kaffee mit einem Stück leckeren Kuchens.
Nicht viel später kommt die Sonne wieder heraus. Wir gehen schnell zur Agentur, um für morgen ein Schneemobil zu mieten, und danach zum Ufer des Sees, wo die Ylläs Swing, eine einfache Schaukel an einem rustikalen Holzgestell ein schönes Fotomotiv abgibt. Direkt nebenan wird gerade auf dem zugefrorenen See die Rennstrecke für das Rentierrennen in den nächsten Tagen präpariert, wir freuen uns schon auf interessante Bilder. Vor dem Einkaufszentrum steht die übergroße Skulptur eines Rentieres, so groß werden die in Wirklichkeit aber nicht. Nach einem kurzen Besuch im Supermarkt kehren wir zurück. Im Wohnmobil gibt es heute selbstgemachte Pizza und anschließend eine schöne Stimmung mit arktischem Licht.