Bei eisigen -10°C holen wir am Morgen unser gebuchtes Schneemobil ab und lassen uns bei der Agentur auch gleich wieder sehr winterfest einkleiden. Nach einer kurzen Einweisung in das Mobil, das meiste kennen wir ja inzwischen schon, geht es hinaus aus dem Ort in die sonnenbeschienene Natur. Der Vermieter hat uns eine übersichtliche Karte mitgegeben, auf der die Schneemobilpisten in der weiteren Umgebung verzeichnet sind, wir müssen eigentlich nur darauf achten, dass wir keine Abzweigung verpassen.
Wir wenden uns zunächst südlich und fahren dann in einer großen Schleife weit nach Nordosten. Die Strecke führt überwiegend durch Wälder, in denen sich ständig Nadelhölzer und Birken abwechseln. Immer wieder geht es über weite Ebenen, von denen wir schöne Aussicht auf die umgebenden Fjells haben. Mehrfach queren wir kleine Flussläufe, in denen bereits das fließende Wasser zwischen den Schneemassen zu sehen ist, ein bisschen scheint sich auch in Finnland der Frühling anzukündigen.
Kurz vor dem Anstieg zum Kuertunturi sehen wir plötzlich eine Gruppe von fünf Rentieren auf der Piste. Wir halten sofort an, machen einige Fotos und tasten uns dann langsam an den Tieren vorbei, die sich nicht sonderlich von uns stören lassen, solange ausreichend Abstand gegeben ist.
Das letzte Stück hoch zum Kuertunturi ist sehr steil, winklig und die Piste ist ziemlich wellig, so dass es nicht ganz einfach ist, einen sauberen Kurs zu halten. In einer Kurve erwischt es uns und die Breite der Piste reicht nicht mehr für uns, so dass wir im tiefen Schnee im Wald landen. Immerhin kippt die Fuhre nicht um und wir bleiben erst einmal sicher sitzen. Der Weg aus dem Wald ist allerdings viel schwieriger, als hinein. Durch den Rückwärtsgang haben wir uns erst noch tiefer eingegraben, bevor wir beginnen, allen Schnee um das Mobil wegzuschaffen. Erst danach scheint ein Befreiungsversuch wirklich sinnvoll. Zu unserem großen Glück kommen im rechten Moment zwei weitere Fahrer, die offensichtlich schon Erfahrung mit derlei Situationen haben. Sie packen das Schneemobil an den Kufen, jetzt erkennen wir auch, wozu die stabilen Griffe auf den Kufen da sind, und wuchten es mit vereinten Kräften in Richtung der Piste. Noch etwas Schnee ausgraben, ein weiterer Versuch, anschließend gelingt die endgültige Rettung mithilfe des Motorantriebs, unser Flitzer steht wieder auf festem Boden.
Glücklich geht es weiter zum Gipfel des Kuertunturi, den wir gestern mit den Schneeschuhen bezwungen hatten und von dem wir heute bei Sonnenschein eine wunderbare Aussicht haben. Von hier ist es nicht mehr allzu weit, bis wir nach sechzig gefahrenen Kilometern ganz begeistert wieder an der Agentur ankommen.
Der Freitag beginnt mit -21°C und wunderschönem Sonnenschein. Wir bleiben im warmen Vagabund und warten bis die Kälte etwas nachlässt. Am späteren Vormittag leihen wir uns vom Platz einen der praktischen Schlitten aus, um darauf unsere Einkäufe vom nahegelegenen Supermarkt zurück zu transportieren. So müssen wir nichts schleppen und schneller als zu Fuß ist man mit dem Ding sogar auch.
Nachmittags gehen wir zum See, wo heute das Rentierrennen beginnt. Mit zehn Euro Eintritt pro Person sind wir dabei. Die Suche nach einem geeigneten Platz zum Fotografieren gestaltet sich etwas schwierig, da direkt am Zaun zur Rennstrecke schon viele Zuschauer ihre Position bezogen haben. Ein schmaler Pfad wurde in den Schnee getrampelt, dort können wir bedenkenlos gehen, sobald wir diesen engen Weg aber verlassen, sinken wir im sehr tiefen Schnee ein und kommen nicht mehr weiter. Wir finden eine Lücke am Zaun, von der wir eine gute Sicht auf die Strecke haben. Einige einzelne Fahrer kommen mit ihren Rentieren vorbei, wobei sie schon ein beachtliches Tempo vorlegen. Allerdings verstehen wir nicht richtig, ob es sich um Trainingsläufe oder um ein Zeitfahren z.B. für die Startaufstellung in einem späteren Rennen handelt.
Später kommen jeweils zwei oder drei Fahrer mit ihren Tieren im direkten Wettkampf zueinander. Nach unseren bisherigen Begegnungen mit Rentieren hätten wir kaum geglaubt, dass diese so sportlich eingesetzt werden können. Schon nach wenigen Läufen kommt die Durchsage, das sei das letzte Rennen für heute gewesen, was sich wiederum ganz gut mit den inzwischen fallenden Temperaturen trifft. Beim Ausgang sehen wir noch, wie die Rentiere an langen Pfahlreihen für die Zeit des Rennens untergebracht sind, sie sind ja für das Leben im Freien auch bei sehr tiefen Temperaturen gewöhnt. Wir nicht, wir ziehen die Wärme des Wohnmobils vor und ziehen uns wieder dahin zurück.
Der Samstag beginnt ohne viel zu versprechen mit -8°C und Schneefall. Doch es kommt anders.
Da wir keine festen Pläne für den Tag haben, verbringen wir den Vormittag im Wohnmobil und warten bis es aufhört zu schneien. Danach wollen wir wenigstens einige Schritte mit den Schneeschuhen nach draußen, um uns ein wenig zu bewegen. Gegen 11:00 Uhr gehen wir los, wobei es immer noch leicht schneit. Wir möchten wieder ein Stück in Richtung Kuer wandern, dort sind wir im Wald zumindest einigermaßen vor dem Schneefall geschützt. Bei eisigem Winterwetter steigen wir nach oben und kommen nach etwa zwanzig Minuten an eine große Lichtung, die wir uns ganz gut für das Beobachten von Polarlichtern vorstellen können, leider sind allerdings auch für heute Abend dichte Wolken vorhergesagt, so dass wir da im Moment keine große Hoffnung haben.
Weiter oben wird es immer sonniger, so dass aus der geplanten kleinen Wanderung der Anstieg bis zum Gipfel mit einigen tollen Fernblicken wird, wir bekommen kaum genug von der Schönheit dieser rauen und weiten Landschaft, die wir wieder einmal ganz für uns alleine genießen dürfen.
Zurück im Vagabund werden am Abend die Vorhersagen für Polarlichter dermaßen attraktiv, dass wir uns gegen 20:00 Uhr entschließen, es trotz der dichten Bewölkung zu versuchen und zu unserer Lichtung am Kuer hochzusteigen. Mit kompletter Ausrüstung, diesmal muss auch noch das Stativ mit, machen wir uns im Dunkeln auf den Weg. Glücklicherweise kennen wir uns inzwischen einigermaßen gut aus und finden den Weg durch den Wald auch ohne Lampen ziemlich gut. Schon am Beginn des Weges vermuten wir rechts am Himmel einen leichten grünen Schimmer, der uns noch mehr motiviert bis zur Lichtung zu gehen. Dort bauen wir alles auf, machen einige Probeaufnahmen zur Bestimmung der richtigen Kameraeinstellung und warten.
Ab und zu ist ein leichtes grünliches Glimmen durch die dicken Wolken zu sehen, ansonsten bleibt es dunkel. Die Polarlicht-App zeigt ständig zunehmende Aktivität, da müssten wir doch jetzt bald etwas zu sehen bekommen. Kurz bevor wir aufgeben wollen, es ist inzwischen schon fast 21:00 Uhr geworden, sehen wir plötzlich einen deutlichen Streifen am Himmel direkt über uns. Das Polarlicht bewegt sich langsam in verschiedene Richtungen und erzeugt eine intensive mystische Stimmung. Nun werden sogar noch die Wolken lichter und geben den Blick auf einzelne Sterne frei, das hätten wir am Morgen kaum zu hoffen gewagt.
Nach insgesamt einer knappen Stunde lassen die Polarlichter wieder nach, die Wolken schließen sich und es beginnt wieder stark zu schneien. Glücklich und zufrieden marschieren wir durch den dunklen Wald zurück zum Campingplatz, wo wir bei -8°C um 22:00 Uhr wieder ankommen.
Ich verwende beim Fotografieren von Polarlichtern folgende Einstellungen: ISO 800; Blende 6,7; Belichtungszeit 15 sec
Verwendete Brennweite sind 24mm, zukünftig würde ich gerne noch mehr in den Weitwinkelbereich gehen.
Am Sonntag brechen wir unser Lager in Äkäslompolo wieder ab und fahren bei sehr winterlichen Straßenverhältnissen 180 Kilometer bis nach Rovaniemi, der Hauptstadt Lapplands. Hier stehen wir genau am Polarkreis auf einem modernen Wohnmobilstellplatz, an dem trotz Schnee und Eis die Entsorgung von Abwasser an einem Bodeneinlass möglich ist. Für Frischwasser ist ein langer Schlauch fest installiert, kann also alles ganz bequem erledigt werden.
Gleich gegenüber liegt das Santa Claus Village, die Heimat des Weihnachtsmanns, das wir gleich nach unserer Ankunft besichtigen. Hier herrscht auch im März eine weihnachtliche Stimmung. Wir besuchen auch das Büro des Weihnachtsmanns, der heute sehr damit beschäftigt ist, sich mit überwiegend asiatischen Touristen fotografieren zu lassen.
Am Abend essen wir leckeres Rentier und bummeln anschließend noch einmal durch das inzwischen bunt und hübsch beleuchtete Dorf.
Hier haben wir auch unsere Bekannten von der Fähre wieder getroffen, sie waren von Äkäslompolo nach Norwegen bis zum Nordkap gereist, während wir in aller Ruhe die schöne Landschaft der Fjells intensiv genossen haben. So unterschiedlich kann sich das Reisen mit dem Wohnmobil gestalten.
Montags brechen wir zeitig auf, um die recht kurze Strecke bis nach Ranua zurückzulegen. Wir erreichen den sehr schönen Campingplatz am Ranua Zoo bei arktischer Kälte und strahlendem Sonnenschein. Nach einem sehr herzlichen Empfang machen wir uns sofort auf den Weg durch den Zoo, der insbesondere Tierarten der Arktis beherbergt. Allerdings sind doch einige von ihnen im Winterschlaf oder verstecken sich in ihren Häuschen. Zum Glück ist die Eisbärin Venus in ihrem großen Gehege zu sehen, wie auch zwei Wölfe, Moschusochsen und einige Schneeeulen.
Nachdem die Eisbärin Venus gestern keine richtige Lust hatte, sich fotografieren zu lassen, ist sie am Dienstag bei unserem Besuch im Zoo von Ranua wesentlich kooperativer und ermöglicht eine vergnügliche Fotosession.
Anschließend fahren wir nach Oulu, wo wir am selben Platz an der zugefrorenen Ostsee stehen, wie schon auf unserem Weg nach Norden. Abends lassen wir uns nochmal im Restaurant Sokeri-Jussin Kievari mit finnischen Leckereien verwöhnen.
Von Oulu fahren wir am Mittwoch bei ziemlich eisigen Straßenverhältnissen bis ins 300 Kilometer entfernte Rauhalahti inmitten der finnischen Seenplatte. Rauhalahti ist Teil der Stadt Kuopio, der größten Stadt Ostfinnlands.
Wir stehen an einem weitläufigen Campingplatz mit allen benötigten Einrichtungen. Hier gibt es auch eine schöne Saunahütte am zugefrorenen See, die wir uns für den Donnerstagabend mieten. Nach einer schweißtreibenden Zeit in der Sauna, von der es keine Fotos gibt, entspannen wir den Abend im Wohnmobil.
Freitag geht es über erstmals schneefreie und eisfreie Straßen sehr unbeschwert bis nach Helsinki mit Campingplatz direkt an einer Metro Haltestelle, von wo wir am kommenden Wochenende die finnische Hauptstadt erkunden.
Am Samstag, 12. März fahren wir mit der Metro bequem bis zur Haltestelle Universität, die sehr zentral in der Stadt liegt. Von dort suchen wir unseren Weg über die Esplanadi zum Marktplatz. Auch in der Innenstadt sind die Gehwege oft mit einer dicken Eisschicht bezogen, die das Gehen zu einer rutschigen Angelegenheit werden lässt. Am Marktplatz passieren wir schnell die kleinen Souvenirstände und suchen den Eingang zum Helsinki Sky Wheel, einem 40 Meter hohen Riesenrad, von dem aus wir uns einen schönen Blick über die Stadt erhoffen. Wir sind jetzt am Vormittag fast die einzigen Gäste, die mit dem Riesenrad ihre Runden drehen.
Vom Sky Wheel ist es nicht weit zur Uspenski Kathedrale, die mit ihren 13 Kuppeln die größte orthodoxe Kirche im westlichen Europa ist. Das Innere der Kathedrale ist reich verziert und mit vielen Ikonen ausgestattet.
Am nördlich der Uspenski Kathedrale gelegenen Hafenbecken liegen einige Schiffe fest im Eis eingeschlossen, sie verbringen wohl den gesamten Winter an ihren Liegeplätzen. Hier können wir auch eine Gruppe Kanuten beobachten, die nach einem Marsch über die Eisoberfläche dort ihre Boote wieder zu Wasser lassen. Obwohl das nicht ganz einfach aussieht, fällt glücklicherweise keiner ins kalte Wasser.
Vom Dom, dem markantesten Gebäude der Stadt, sind wir ein klein wenig enttäuscht. Sieht die weiße Kirche auf einem kleinen Hügel von außen sehr imposant aus, so ist sie in ihrem Inneren eher schmucklos und schlicht.
Wir machen einen langen Fußmarsch zu dem in einem kleinen Park gelegenen Sibelius Monument, einem aus mehr als 600 Stahlröhren zusammengeschweißten Kunstwerks, das dem finnischen Komponisten Jean Sibelius gewidmet ist. Langsam müde geworden nehmen wir von einer nahegelegenen Haltestelle die Straßenbahn zurück zur Innenstadt und fahren von dort mit der Metro wieder zum Campingplatz.
Am Abend genießen wir eine ausgesprochen leckere Brotzeit an Bord des Wohnmobils unserer Freunde, die wir während dieser Reise immer wieder getroffen haben und die morgen mit der Fähre zurück reisen werden.
Sonntag besuchen wir noch einmal Helsinki, heute fahren wir mit dem Schiff zur Festungsinsel Suomenlinna, die lange Jahre als Stützpunkt der Marine diente und die einen effektiven Schutz der Bucht von Helsinki erlaubt. Nach einem Rundgang durch die Anlagen kehren wir zurück ans Festland, wo wir zunächst mehrere Versuche benötigen um ein geöffnetes finnisches Restaurant zu finden. Asiatische Küche und Pizza wird zwar sehr viel angeboten, doch regionale Lokale sind nach unserer Erfahrung eher schwer zu finden. Ganz in der Nähe der Bibliothek, dem letzten Ziel unserer Erkundung von Helsinki, finden wir das Restaurant Manala mit einem leckeren Angebot.
Frisch gestärkt gehen wir zu dem sehr modern gestalteten Gebäude der Zentralbibliothek Oodi, die uns völlig sprachlos macht. Auf drei Stockwerken finden wir Lesesäle für jedermann, die so gestaltet sind, dass man sich bequem mehrere Stunden dort aufhalten kann und das auch gerne will. Es gibt Spielbereiche für Kinder, Plätze zum konzentriert arbeiten, Gruppenräume und alles ist kostenfrei von jedermann zu jeder Zeit zu nutzen. Ein ganzes Stockwerk ist den praktischen Tätigkeiten gewidmet, hier stehen Nähplätze mit verschiedenen Maschinen, Plätze für Elektroarbeiten, und technische Geräte vom Laserschneider über große Drucker bis zu mehreren 3D-Druckern zur Verfügung. Alles kann bequem über eine App für den benötigten Zeitraum gebucht werden, der Nutzer muss lediglich einen Beitrag zu den Materialkosten leisten. So etwas hatten wir noch nie gesehen und sind immer noch ganz begeistert.
Zurück am Campingplatz starten wir mit den Vorbereitungen für die Rückreise, die am Montag beginnt.
Um die Mittagszeit des 14. März legen wir die letzten paar Kilometer bis zum Hafen zurück, wo wir einchecken und am Nachmittag auf die Fähre fahren. Auch auf dieser Strecke ist ziemlich wenig Betrieb, das Schiff scheint gerade mal zur Hälfte ausgelastet zu sein. So kommen wir sehr angenehm und ganz ohne Seegang am Dienstagabend in Travemünde an, wo wir unsere letzte Nacht am neuen Wohnmobilstellplatz am Fischereihafen verbringen. Von hier geht es am Mittwoch bei entspanntem Verkehr wieder nach Hause.
Das Wintermärchen Lappland ist vorüber, wir hatten eine sehr interessante und erholsame Zeit und freuen uns auf weitere Abenteuer.